Vernissage: Sonntag, 14.06.2015, 11.00 Uhr
Music: Marec – Gabla - Duo
Buffet: jak w raju
Eröffnung: Richard Bartsch, Bezirkstagspräsident
Laudatio: Bernd Zachow, Nürnberger Nachrichten
Ausstellungsdauer: 14. Juni - 13. September 2015
Ausstellung Udo KALLER in der Galerie Destillarta, Buchschwabach
Juni 2015
Paradiesvögel, meine sehr geehrten Damen und Herren, Paradiesvögel heißen bei uns so, weil man in Europa bis ins 19. Jahrhundert hinein meint, diese Tiere seien Überbleibsel aus dem biblischen Paradies. Erst 1830 erschien ein Buch, in dem ein britischer Naturforscher seinen Lesern erklärte, Paradiesvögel seinen ganz normale, unseren Raben verwandte gefiederte Zeitgenossen. Der um wissenschaftliche Nüchternheit bemühte Brite musste allerdings einräumen, die exotischen Raben seien nach wie vor ein "Inbegriff des Schönen". Kein Wunder also,.dass Udo Kaller die Paradiesvögel als Motiv für sich entdeckt hat. Vielleicht gerade, weil an ihm selbst ganz und gar nichts Paradiesvogelartiges ist.
Udo Kaller bestätigt mich in der Meinung, dass eine Mischung aus Herkunft und Sein auch den Charakter eines jeden Künstlers, und damit die Art seiner Kunst-Praxis bestimmt. . Die Kunst des gebürtigen Schlesiers Udo Kaller, der die allermeiste Zeit seines bisherigen Lebens in Franken verbracht hat, ist nüchtern, sachlich, planvoll und ordentlich. All diese Eigenschaften gelten als typisch sowohl für das schlesische als auch für das fränkische Wesen. Das Spekulative, das Spontane, das Visionäre das Gefühlvoll- Romantische ist von Udo Kallers Schaffen jedenfalls nur sehr bedingt zu erwarten. Niemand, der ihn halbwegs kennt, kann sich Udo Kaller als Action-Painter, als einen bedenkenlos drauflos malenden Jungen Wilden oder als einen nur auf die bekanntlich höchst wetterwendische Gunst des Zufalls vertrauenden Abstrakten Expressionisten vorstellen. Kaller ist ein regelmä ßiger, disziplinierter Arbeiter, ein Systematiker der Kunst, der sich oft sehr lange und ungemein intensiv mit bescheidenen und bescheidensten Motiven auseinandersetzt. Er strebt nicht nach großen Ideen und tiefgründigen Botschaften, sondern nach handwerklich ganz und gar soliden und intellektuell redlichen Ergebnissen.
Kallers Thema ist die sichtbare, mit Hirn und mit Hand be-greifbare Welt. Und diese Welt ist "alles,was der Fall ist", um mit Ludwig Wittgenstein zu sprechen. Wie für jenen Philosophen, so ist auch für den K ünstler Kaller die Welt nur begreifbar als die Gesamtheit der Tatsachen. Kaller zerlegt das allzu Komplexe des Weltganzen in einzelne Tatsächlichkeiten, die er malerisch zu verschieden großen Summen addiert. Dass es sich bei bei all seinen je erreichten und zu erreichenden Summen immer und ewig nur um Zwischensummen handeln kann, nie um die Endsumme , hat er in weiser Demut von Anfang seiner Künstlerkarriere an akzeptiert. Ebenso akzeptiert hat er stets, dass die Kunst der Malerei niemals in der Lage ist, die Wirklichkeit wirklich abzubilden. Für den Maler erreichbar sind allenfalls möglichst griffige, auch den fremden Betrachter überzeugende Symbole, Zeichen oder Metaphern, die für die unendlich vielen verschiedenen Erscheinungsformen desRealen stehen. Diese Einsicht in die Grenzen des Mediums führte bei Kallers Malerei zu einer mehr oder minder weitgehenden Verdinglichung, Vergegenständlichung, Versachlichung und teilweise Ornamentalisierung auch von belebten Naturwesen wie Pflanzen, Tieren und Menschen.
Kallers Arbeit ist stilistisch schwer einzuordnen. Inhaltliche Auseinandersetzungen des Künstlers mit berühmten Werken der Kunstgeschichte, vom Manierismus des 16. und 17. Jahrhunderts bis hin zum klassischen japanischen Holzschnitt, bedeuten im vorliegenden Fall nicht automatisch, dass das Heutige als direkte Fortsetzung des Gestrigen zu verstehen ist. Des Künstlers Liebe zur Musik scheint sich da und dort auch bildnerisch zu manifestieren. Manche seiner Bild-Kompositionen glänzen durch eine fein abgewogene Balance zwischen Regelhaftigkeit und freier Improvisation. Nicht von der Machart her, aber allemal von der geistigen Grundhaltung her, mag man beim Betrachten von einigen Kaller-Bildern sogar an ein berühmtes Schulbuch des Jan Amos Comenius denken. Das Buch heißt "Orbis pictus", das ist: "Die gemalte Welt". Zu sehen sind in dem Büchlein in freigestellten Einzeldarstellung zum Beispiel: Fisch und Vogel, Baum und Blatt, Blüte und Frucht, Haus und Hügel als Bausteine der "sichtbaren" Welt. Im Jahr 1658 druckte übrigens der Nürnberger Michael Endter die heute bekannteste, mit Holzschnitte illustrierte lateinisch-deutsche Ausgabe des "Orbis pictus".
Zurück zu Udo Kaller. Wenn er in der Vergangenheit selbst nach seinem stilistischen Standpunkt gefragt wurde, so nannte er sich zeitweilig einen "gegenständlichen Konstruktivisten". Der eine oder andere Szene-Insider erkannte in seinen Bildern darüber hinaus eine Verwandtschaft zum "Pattern-Painting", zur Mustermalerei, die vor mehr als vier Jahrzehnten kurz von sich reden machte. Und zweifellos ist bei Kaller eine gewisse Nähe zur sogenannten Pop-Art gegeben. Wie die Pop-Künstler der 1960er Jahre zeigt Udo Kaller die absolute Realität, in der Regel ohne gewaltsam aufgesetzteformalistische Verfremdung und dennoch alles andere als naturalistisch. Das heißt, dass bei ihm zwar alle Bildelemente rein, klar und deutlich definierbar sein müssen, oft jedoch sind die dargestellten Gegenstände wie in der Plakatkunst ohne räumliche Tiefe, ohne Anwendung der Zentralperspektive, ohne Schattenwurf, also lediglich flächig gestaltet. Überdies werden die Naturformen nicht selten extrem vereinfacht dargestellt, sie werden mehr oder minder zu Piktogrammen. Die Farbflächen sind meistens klar konturiert, oft dominieren die Primärfarben und die Nichtfarben Schwarz, Grau und Weiß. Banale Alltagsgegenstände, aber in den letzten nJahren auch allerlei exotische Dinge werden entweder krass isoliert oder in Reihungen und sanft abgestuften Variationen dargestellt. Zu Kallers spezielle Auffassung von Pop-Art fiel mir ein Gedanke des Aristoteles ein: "Das Schlechte gehört zum Unbegrenzten, das Gute aber achtet Grenzen." Pop-Art-Nähe also allenfalls, mit Achtung, ja Förderung des Überschaubaren, des Begrenzten. Was bei Kaller zum Beispiel gänzlich fehlt, ist die besinnungslose Bejahung der modernen Konsum- und Warenwelt sowie des "Anything goes", welche der Pop-Art aus den USA langfristig einen unangenehmen Beigeschmack verliehen hat. Andy Wahrhol meinte, Pop bedeute "liking things", also etwa: Dinge, Sachen, Waren "mögen". Der Mann hinterließ neben seinen eigenen Produkten einen wahllos zusammengekauften Rieseberg Ramsch. Das würde Kaller niemals einfallen, selbst wenn er Andys Millionen hätte. Udo Kallers geistge Ahnen sind eben nicht die großstädtischen Coca-Cola- und Fastfood-Fans, sondern die schlichten, ehrlichen Bauern und Handwerker, die einst überall in Europa die Urheber einer echten Volkskunst waren. Infolge dieser seiner geistigen Herkunft zeigt Kaller übrigens bei der Konzeption seiner Bilder keinerlei Scheu vor dem lustvollen, fantasievollen Einsatz des Dekorativen, also des Schmückenden. Lassen sie es mich ganz polemisch auf den Punkt bringen: Die im besten Sinne handfeste, bodenständige Kunst unseres Nürnberger Klassikers Udo Kaller ist erfreulicherweise ebenso weit entfernt einerseits von den grauenvollen quietschbunten Plastikfiguren eines bekannten heimischen Kunsthochschul-Professors, wie andererseits vom nicht weniger grauenvollen Pseudo-Tiefsinn zeitgenössischer Schickimicki - Esoterik. Für Kaller ist die Welt weder besonders sinnvoll noch besonders absurd. Sie ist wie sie eben ist. Kaller distanziert sich -nicht einmal so sehr bewusst, sondern seinem Charakter und seinem Wesen gemäß, sozusagen instinktiv- von allen Blendwerk, von allen Formen des intellektuellen Opportunismus und der bloßen Geschäftstüchtigkeit. Sein Werk ist geprägt von jener Schlichtheit, ohne die es in der Kunst keine großen Schönheiten gibt.
Kaller gehört zu den Menschen, denen es vergönnt ist, nicht nur eine Jugend zu erleben, sondern gleich mehrere Jugenden hintereinander. Über seine erste und seine allererste Jugend schrieb er einmal selbst -sehr humorvoll- in einer Kunstzeitschrift. Da heißt es: "Meine künstlerischen Aktionen begannen äußerst früh, noch vor der Vollendung des ersten Lebensjahrs. Ich entwickelte eine starke Vorliebe für die Stifte und Farben meines malenden Vaters, die ich mir mit Begeisterung in den Mund steckte... 1953 war der Höhepunkt meiner frühen Karriere. Ich nahm an der Erstkommunion teil und aus diesem Anlass gab es eine Ausstellung mit meinen
Buntstiftzeichnungen in der Aula der Schule...In dieser Zeit begann auch mein geschäftlicher Werdegang, denn sehr früh merkte ich, dass man mit Kunst auch Geld verdienen kann. Vorwiegend in der Schule zeichnete ich
`schweinische Comics´; die Anregungen holte ich mir aus den Büchern meines Vaters, die ganz oben und ganz hinten im Bücherschrank versteckt waren... Von 1957 bis 1958 besuchte ich neben meiner Arbeit als Hilfsarbeiter in
einem metallurgischen Institut eine Kunstschule. Im Rathaus von Gleiwitz beteiligte ich mich mit Mitschülern an einer Gruppenausstellung. Zeichnungen von Flaschen, Schafen und Vögeln hatten es mir besonders angetan."
Solche und ähnliche Motive liebt er noch heute. Seinen 72. Geburtstag wird unser Künstler im September feiern, seit fünf Jahrzehnten ist er schöpferisch tätig, aber von Spätwerk keine Spur. Malen und zeichnen waren, sind und bleiben seine Lieblingsbeschäftigungen, welche er möglichst 365 Tage pro Jahr ausübt. Längere Pausen machen ihn unruhig. Udo Kaller, der sich als "glücklichen Menschen" bezeichnet, will damit in erster Linie sagen, dass er zu den wenigen Glücklichen zählt, die ihre Leidenschaft zum Beruf machen konnten und damit Erfolg haben. Und schließlich weiß er nur zu gut, dass ein halbwegs Ganzes in unserer rundum kaputten, desolaten Welt derzeit allenfalls im Bereich der kreativen Gestaltung zu erreichen ist. Wenn er auf seinem Gebiet vor allem nach dem Sch önen, Heiteren, Geordneten strebt, dann hat dies bei ihm nichts mit Naivität oder Ignoranz zu tun. Im Gegenteil. Gerade weil ihm die Probleme nur allzu bewusst sind, bem üht er sich um die Schaffung von Gegengewichten, von k ünstlerischen Einsprüchen gegen das Chaos, gegen den Zynismus und gegen die Resignation.
Die Künstler von Kallers Art sind selten geworden, sie sind im allerbesten Sinne Traditionalisten, sie sind aber gerade heute nicht nur wichtig, sondern unentbehrlich. Ich wünsche uns, dass Udo Kaller noch viele sch öpferische Jahrzehntevor sich hat.
© Bernd Zachow, Nürnberg